Mehr Gerechtigkeit, mehr Gleichstellung
Die Individualbesteuerung bringt unser Steuerrecht in die Gegenwart und Gerechtigkeit. Sie schafft alle tatsächlichen Benachteiligungen wie Heiratsstrafe und Konkubinatsbonus ab – sowie auch den unfairen Heiratsbonus und die unfaire Konkubinatsstrafe, die es in gewissen Fällen gibt.
Seit 1971 haben Frauen das Stimmrecht, 1988 trat das neue Eherecht in Kraft und 2021 entschied das Bundesgericht, dass die Ehe keine lebenslänglich finanzielle Absicherung mehr ist. Es ist folgerichtig, dass auch das Steuerrecht nun alle Menschen als eigenständige Individuen anerkennt. Die Individualbesteuerung ist die logische Weiterentwicklung der Gleichstellung.
Über die Notwendigkeit, die Heiratsstrafe abzuschaffen, besteht ein breiter Konsens. Zur konkreten Umsetzung konkurrieren aber zwei Modelle: ein fortschrittliches und ein konservatives.
Das fortschrittliche Modell ist die im Juni verabschiedete Individualbesteuerung, die Parlament und Bundesrat vorschlagen. Sie schafft Gerechtigkeit, ist einfach und stellt sicher, dass sich Arbeit lohnt: Jede Person füllt eine Steuererklärung aus und zahlt auf ihr Einkommen und ihr Vermögen Steuern, unabhängig vom Zivilstand. Die steuerliche Entlastung ist gleichmässig für alle Einkommensklassen.
Das konservative Modell ist die von der Mitte lancierte Initiative „Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare“, die das Parlament und der Bundesrat ablehnen. Es ist kompliziert und fehlerhaft (wird etwa den vielen Einelternfamilien (16%!) nicht gerechtet), kostet viel und schafft Bürokratie: Neben der gemeinsamen Besteuerung für Ehepaare soll eine zweite Steuerrechnung gemacht werden, als wären die beiden Personen unverheiratet. Tatsächlich in Rechnung gestellt würde dann der tiefere Steuerbetrag.
7.5 Prozent der Frauen sind unfreiwillig unterbeschäftigt, wie das Bundesamt für Statistik erhoben hat. Sie würden gerne ihre Pensen erhöhen, können diesen berechtigten Wunsch aber nicht erfüllen – vielfach, weil es sich nicht lohnt oder nicht vereinbar ist.
Laut Ecoplan sind 80 Prozent der Personen, die mehr oder wieder arbeiten möchten, Frauen im Alter von 25 bis 55 Jahren, die überwiegend Teilzeit arbeiten. 58 Prozent hat einen Abschluss auf Sekundarstufe II, jede dritte Person sogar einen Hochschulabschluss.
Das sind gut ausgebildete Fachkräfte, die unsere Unternehmen dringend suchen. Dieses Potenzial gilt es zu nutzen!
Die Ecoplan-Studie zeigt: Bei Individualbesteuerung würden viele ihre Pensen erhöhen – vornehmlich Frauen. Als Folge könnten bis zu 44‘000 neue 100 Prozent-Stellen besetzt werden.
Mit der Individualbesteuerung werden Personen entlastet, die verheiratet sind und beide verdienen: Genau diese – und nur sie – sind heute von einer Heiratsstrafe betroffen: Sie zahlen mehr Steuern, als wenn sie ein Konkubinat wären. Insbesondere das tiefere der beiden Einkommen kommt wegen der gemeinsamen Veranlagung in eine höhere Steuerprogression, mehr Lohn wird von steigenden Steuern direkt wieder weggefressen.
Die Individualbesteuerung beseitigt die Heiratsstrafe wie auch die negativen Erwerbsanreize auf dem Zweiteinkommen. 50 Prozent der Ehepaare werden steuerlich entlastet (vorwiegend jene, die heute eine Heiratsstrafe und schlechte Erwerbsanreize haben), für 36 Prozent ändert sich nichts. 14 Prozent werden leicht mehr belastet, da sie heute von einem Heiratsbonus profitieren, den Paare haben, wo vor allem eine Person arbeitet und ein sehr hohes Einkommen hat.
Frauen sind im Alter häufiger finanziell schlecht gestellt und erhalten im Schnitt jährlich 20’000 Franken weniger Rente. Dies ist – nicht nur, aber auch – eine Folge ihrer tieferen Arbeitspensen, weil sich für verheiratete Zweitverdienende ein höheres Arbeitspensum steuerlich nicht rentiert oder gar bestraft wird. Mit der Individualbesteuerung haben alle Personen positive Erwerbsanreize. Wer mehr arbeitet, erhält mehr Rentenleistung, wodurch die Altersarmut bei Frauen reduziert wird.
Wenn man die heutige, ungerechte Situation verbessern will, geht es nicht ohne Steuerausfälle. Sonst gibt es viele, die verlieren. Mit dem vorliegenden Kompromiss des Parlaments für die Individualbesteuerung betragen die Steuerausfälle rund 600 Mio. Franken (ursprünglicher Vorschlag des Bundesrats rund 1 Mrd.). Dieser Kompromiss ist finanziell tragbar. Zudem hat die zusätzliche Erwerbstätigkeit schon bald zusätzliche Steuereinnahmen zur Folge.
Die Ausfälle sind auch deutlich tiefer als mit jeder Variante der konservativen Mitte-Initiative. Diese hat – je nach Umsetzung – Steuerausfälle von 700 Mio. bis 1,4 Mrd. Franken zur Folge.
Niemand kommt bereits verheiratet zur Welt. Rund die Hälfte der Bevölkerung heiratet mindestens einmal vor dem 50. Geburtstag (BFS Heiratshäufigkeit). Zu diesem Zeitpunkt müssen die Steuerdossiers zusammengelegt werden. Rund 40 Prozent gehen wieder auseinander, dann müssen die Steuererklärungen wieder getrennt werden (BFS Scheidungshäufigkeit). Viele heiraten erneut. Dasselbe gilt, wenn die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner stirbt.
Das aktuelle System ist ungerecht, veraltet und unpraktisch. Es kommt wieder immer zu Umstellungen. Das ändert sich mit der Individualbesteuerung. Bei deren Einführung müssen die Steuererklärungen von rund 1,8 Mio. Ehepaaren einmalig getrennt werden. Das ist dank Automatisierung nicht sehr aufwändig. Und viele erinnern sich noch an die unberechtigten Befürchtungen vor bürokratischem Mehraufwandwegen der Umstellung von zweijährlicher auf jährliche Veranlagung.
Die Individualbesteuerung wird unterstützt von FDP, SP, GLP, Grünen sowie Vertreterinnen und Vertretern von Mitte und SVP. Das überparteiliche Komitee präsidieren gemeinsam Mitglieder der zuständigen Wirtschaftskommissionen von National- und Ständerat, die sich seit vielen Jahren mit Steuerfragen befassen.

Nationalrätin FDP SG


